Ein Mensch bricht vor deinen Augen zusammen, schwer atmend, vielleicht blau im Gesicht. Kein Krimi, sondern eine traurige Realität, die nicht nur in Großstädten vorkommt. Überdosierungen haben in Österreich und ganz Europa alarmierende Höchststände erreicht. Die Angst, Fehler zu machen, ist groß – doch Nichtstun ist meist am gefährlichsten. Weißt du überhaupt, was du tun würdest? Genau hier geht es los. Denn der Unterschied zwischen Leben und Tod sind oft ein paar Minuten – in denen vor allem Mut und Wissen zählen.
Wie erkenne ich eine Überdosis?
Viele glauben, dass Anzeichen einer Überdosis immer klar und offensichtlich sind – das stimmt aber nur zum Teil. Typische Symptome hängen stark von der Substanz ab, etwa Heroin, Schmerzmittel, Kokain oder Ecstasy. Immer häufiger passiert es heute mit Opioiden aus der Hausapotheke. Eine Studie aus 2023 zeigte, dass rund 40% der Überdosierungen in Europa durch verschreibungspflichtige Medikamente verursacht werden. Augen auf: Meist ist die Atmung verlangsamt oder setzt sogar aus, Betroffene werden bewusstlos, es kommt zu starker Blässe oder blauer Haut, vor allem um die Lippen und Fingernägel. Bei Stimulanzien gibt’s teils extreme Unruhe, Krampfanfälle oder Hitzschläge – zum Beispiel nach zu viel Ecstasy auf Partys. Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen, Verwirrung treten auch bei “harmlosen” Schmerzmitteln auf. Hört sich beängstigend an? Ist es auch. Aber: Wer Augen und Ohren offen hält, kann rasch handeln. Lass dich nicht von Party-Mythen täuschen (“Er hat nur zu viel getrunken…”). Wer länger nicht mehr auf Ansprache oder Berührung reagiert oder erschwert atmet, braucht Hilfe – sofort.
Was tun? Schritt für Schritt reagieren
Herzstillstand, Sauerstoffmangel, Hirnschäden – die Zeit läuft. Viele trauen sich aber aus Angst vor Konsequenzen oder weil sie unsicher sind, nicht zu handeln. Dabei zählt jede Minute. Die wichtigsten Schritte sind klar:
- Notruf absetzen: Wähle 144 (Rettung) oder europaweit 112. Bleib ruhig, beantworte die Fragen der Leitstelle klar – Name, was passiert ist, Fundort, Zustand des Betroffenen. Nicht auflegen, bis die Leitstelle das Gespräch beendet!
- Schnell prüfen: Atmet der oder die Betroffene? Wenn nein oder nur schnappend, sofort mit der Notbeatmung (Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase) beginnen. Freunde am gleichen Ort? Teilt die Aufgaben auf (einer ruft an, einer hilft vor Ort).
- Naloxon – das Lebensretter-Spray: Für Opioid-Überdosen (zum Beispiel Heroin, Morphin, Fentanyl) gibt’s das Antidot Naloxon als Nasenspray. Viele Drogenberatungsstellen in Graz und Wien geben es kostenlos ab. Wer’s dabei hat, kann es selbst Laien verabreichen. Eine Dosis in jedes Nasenloch sprühen. Wiederholen, wenn nötig.
- Stabile Seitenlage oder Reanimation: Liegt keine Atmung mehr vor, sofort Wiederbelebung. Bei flacher Atmung sollte die Person in die stabile Seitenlage gebracht werden, damit die Atemwege frei bleiben und Erbrochenes abfließen kann. Gekippter Kopf, Mund leicht geöffnet – so läuft nichts zurück in die Lunge.
- Warten und beobachten: Bis zum Eintreffen vom Notarzt bleiben. Keine Getränke oder Essen geben! Auch keine „Hausmittel“ probieren. Die Symptome können sich schlagartig verschlimmern.
Wichtig: Rettungskräfte sind nicht die Polizei. Angst vor Strafe hält viele davon ab, zu helfen – dabei sind Leben retten und Erste Hilfe keine Straftat. In Österreich bist du sogar gesetzlich verpflichtet zu helfen (§ 95 StGB). Im Nachhinein wird die Notfallhilfe niemals zur Anzeige gebracht. Hoffnung? Ja. Denn 8 von 10 Opioid-Überdosierungen könnten mit Naloxon rechtzeitig gestoppt werden – das zeigen Daten aus England, wo es seit 2017 breit verteilt wird. Die Todeszahlen pro Jahr sanken dort um rund 30%.

Nach dem Notfall: Was sollte man noch wissen?
Angenommen, es ist alles gut gegangen und die Rettung übernimmt. Dann beginnt für Betroffene und Zeugen oft erst das große Fragezeichen: Wie geht es weiter? Viele wissen nicht, dass der Körper nach einer Überdosis noch Stunden gefährdet bleibt. Gerade bei starken Schmerzmitteln oder Medikamenten, die langsam wirken, gibt es den gefürchteten „Rebound-Effekt“: Nach einem kurzfristigen Wachwerden durch Naloxon kann die Wirkung der Droge wieder einsetzen, vielleicht weil das Mittel länger im Körper bleibt als das Gegenmittel. Deshalb gilt: Jeder, der Hilfe braucht, gehört ins Krankenhaus, auch wenn er sich wieder “ok” fühlt.
Nicht selten entwickeln Menschen nach einer Überdosis psychische Probleme wie Angst, Scham oder Panikattacken. Das Umfeld braucht Geduld und Hilfsbereitschaft, keine Vorwürfe. In Österreich bieten Beratungsstellen wie die Suchthilfe Graz oder die Caritas Hilfestellung für Betroffene und Angehörige an. Wer Zeuge wurde, darf auch sich selbst nicht vergessen: Red darüber, verarbeite, lass dir helfen. Die Hemmschwelle in solchen Situationen offen zu sprechen wird langsam niedriger, auch dank Medienkampagnen wie „Sei der Held, nicht der Feigling“ (2024, Wien), in denen Informationen zur Ersten Hilfe und zum Umgang mit Überdosen breit gestreut werden.
Studien belegen: Etwa 60% der Überdosis-Toten hätten gerettet werden können, wären Zeugen besser geschult oder weniger ängstlich gewesen. 2024 nutzten erstmals mehr als 7.000 Menschen in Österreich den kostenlosen Naloxon-Kurs, das sind dreimal so viele wie zwei Jahre zuvor. Speziell Jüngere lernen auf Festivals oder in der Schule, was im Notfall zu tun ist. Die Rettung und auch viele Hilfsorganisationen bieten kurze Trainings an, sind auch online verfügbar.
Ein Tabu bricht langsam. Während noch vor wenigen Jahren kaum jemand offen über Drogen, Suchtmittel oder Medikamente sprach, gibt es heute offene Foren, anonyme Hotlines, schnelle Hilfe. Wer sich informiert, ist im Vorteil – und kann, wenn’s darauf ankommt, einfach besser helfen.
Fakten, Prävention und Tipps für den Alltag
Was hilft konkret, damit es erst gar nicht zu Überdosierungen kommt? Prävention fängt bei kleinen Dingen an: Sorge dafür, dass rezeptpflichtige Medikamente sicher gelagert werden, nicht für andere zugänglich sind. Gerade die Generation 50+ unterschätzt laut einer Gesundheitsumfrage von 2024 die Risiken von Opiaten, Schlafmitteln und Beruhigungstabletten massiv. Ein Zuviel schleicht sich schnell ein – gerade wenn mehrere Ärzte beteiligt sind oder es Wechselwirkungen mit Alkohol gibt.
Tabellen wie diese zeigen, wie häufig verschiedene Mittel bei Überdosierungen beteiligt sind (Daten: Österreich 2023):
Substanz | Anteil an Überdosierungen (%) |
---|---|
Opioide verschreibungspflichtig | 43 |
Kokain/Crack | 18 |
Heroin | 15 |
Stimulanzien (Ecstasy u.a.) | 12 |
Benzodiazepine (Beruhigungsmittel) | 9 |
Andere | 3 |
Verantwortungsvoller Umgang ist das A und O. Ein paar Tipps für alle, die selbst Medikamente nehmen oder in Kontakt mit Drogen kommen:
- Spreche offen über Risiken in deinem Umfeld. Wissen schützt.
- Frage deinen Arzt nach Wechselwirkungen, besonders wenn mehrere Medikamente im Spiel sind.
- Achte auf Warnzeichen bei Freunden: Wer schläfrig, verwirrt oder ungewöhnlich schwer atmend ist, braucht Aufmerksamkeit. Lieber einmal zu viel nachgesehen als zu wenig.
- Halte das Überdosis-Notfallspray Naloxon bereit, wenn im Freundeskreis Opioide vorkommen.
- Lerne echte Erste Hilfe: Kurse gibt’s einfach und oft gratis, auch speziell für Drogennotfälle.
Missverständnisse gibt’s genug: Nein, kaltes Wasser, Kaffee oder Ohrfeigen bringen niemanden zurück. Die richtige Aktion ist immer, den Rettungsdienst zu holen und so lange zu helfen, wie es geht. Die meisten Überdosierungen passieren nicht in dunklen Ecken, sondern in ganz normalen Wohnungen – und zwar überwiegend, wenn Freunde oder Familie dabei sind.
Es ist mutig, zu reagieren – und manchmal spannender als jeder Thriller, mitten im Leben dabei zu sein und vielleicht sogar ein Leben zu retten.